Samstag, 9. April 2011

Nach dem Spiegel leben


Es gibt Tage,
da lässt er sich nicht
verscheuchen, der Alte im Spiegel,
und dann bleibt man bis zum Abend
ärgerlich ausgelaugt, grau und schwer.

Dann wieder
ist gar keiner da,
wie es scheint, dort hinter Glas,
und man lebt, verrückt wie achtzehn und zwanzig
einen herrlichen Tag bis tief in die Nacht.

Und heute,
da fühl ich mich wie frisch verliebt
und den Spiegel schau ich am besten
gar nicht erst an, diesen sonnigen Tag.

© Copyright: Bernd Pol, 9. April 2011

Samstag, 26. März 2011

wenn man das könnte


wenn man das könnte

die träume beschneiden
und wünschen keine übermacht gewähren
und dem was nicht kommt
nicht ausgeliefert bleiben

und bei alledem
doch leben
ganz weit und
ungeteilt

wenn man das könnte
was bliebe dann noch

© Copyright: Bernd Pol, 26. März 2011

Mittwoch, 27. Oktober 2010

Herbstblätter


Das Jahr ist krank
millionenfach
stirbt es zwischen Bäumen -

Kinder sammeln heute wieder
lustvoll bunte Blätter.

© Copyright: Bernd Pol, 27. Oktober 2010

Dienstag, 1. August 1995

werben lebenslang


selbst wenn es leicht wäre
um dich zu werben

lebenslang

solchen mut
ertrüg ich nicht

so hingegeben
so fern
so zart
so unvorstellbar

als ob es leicht wäre
lebenslang
dich zu umwerben

wär es kein traum

ich traute mich
mitunter
doch wieder nicht

lebenslang

Dienstag, 14. Februar 1995

schlafen die gedanken

im rauch
deiner worte
schlafen

die gedanken
der welt

ein letztes
mal vor
ihrer zeit

ziehen wieder
alte bilder
der ahnen
in würde
herauf

bricht sich
die tat
deiner worte

im rauch
letztendlich
in freiheit

ihre bahn
in die
welt

(copyright © 13.8.2017/14.2.1995, bernd pol)

Freitag, 20. August 1993

du


du

wie du da so liegst
den kopf schräg auf den kissen
dabei die beine ein wenig gespreizt
und in deinen augen träumt es noch nach

wie es war
eben gerade so

und ich schaue ein wenig
in dir herum
deine schenkel
deine brüste
deine augen

wie es ist
überall
so in dir

da greift mich das glück
und ich
ich begreife es nicht

dieses glück
dass du da bist
und bei mir

so nah
so unsagbar
nah

 -  -  -

eine welt hab ich in dich geträumt
als ich lange noch nicht wusste
wer du bist

die welt
du verstehst
und ich in dir
so ganz tief aufgenommen
atmend
durch alle glieder
durchgeschaffen

da im ersten weichen gleiten
weckend eben aufgeweckt
hin durch frühe tiefen treibend
wärmend über höhenzüge

eine welt um uns geschaffen
träumend schwing ich in dir
weiß nicht wer du bist
doch eine welt träum ich

und du
lehrst mich
ihr sein

 -  -  -

ich liebe dich
so ganz konkret

wie du da schmilzt
unter meiner hand

wenn du inmitten
der schenkel
aufblühst als
meine blume
früh im wald

wo wir uns lieben
unter uralten kiefern
in naturgewalten
seit je

und so
weil ich
noch immer
dich lieben mag

überall und unter
allen bäumen der welt

ganz konkret
in deinem fleisch

so

 -  -  -

in dir bin ich aufgehoben
und du
du
hebst dich auf
in mir

denn eins in dir
sind wir beide
geschaffen
zum glück

die zeit wächst uns
aus und über
uns hinaus
wächst du
mit mir in liebe

ist das nicht schön
gemeinsam
besonders zu sein

 -  -  -

wenn du die
berge erreichst
und die lust
sich spiegelt
auf dir

wenn dort dein atem
lebensvoll
eins wird
mit meinem

wenn deine fülle
rhythmisch
sanft drängend
mit wärme
mich tief
umschlingt

verschmelz
ich mit dir
auf jeder höhe
immer neu

bis zum letzten
abschwung
von deinen
gipfeln

 -  -  -

dein leben
dein sein
dein werden

was ich weiß von dir
und was du dir
zu eigen behältst

was ich ahne
was du bist

schau doch

mich treibt
ich treibe

mich hält ich halte

mich führt
ich führe

wir zusammen
die ganze welt

du

© Copyright: Bernd Pol, 20. August 1993

Montag, 3. Juni 1991

technisches ende

versoffen hängt der mond
im dunst
über den dächern der städte
treibt unfrieden
im morgen
schleift seine messer
der horizont

zeiten gleiten
vorbei
über die flüsse
tränken nebel wälder
faulig voll

vergangenheit
in bloßer existenz

ersäuft
wurden die leben
beraubt haben sie
seiner herrlichkeit
den tod

die räuber
hausen
in zahlentürmen
in vollkommener präzision
rechnen
die mörder

dem leben
in exakten ruinen

ausdauernd
gelagert
saugt
information die
beweglichkeit
heraus

in dauerlosigkeiten

gehetzt
kollabieren
ereignisse
auf ewig
gebannt
in formeln
verstoßen
aus aller
zeit
noch

hängt der mond
versoffen
unter den dächern
erstickt
menschlichkeit
in ausgerichteten mauern

hinter den wäldern
am fluss
gibt es noch blumen

(Copyright © 3. Juni 1991, Bernd Pol)