Mittwoch, 22. Mai 2013

So ein Tag


Da hat es einen Tag gegeben,
der war so groß und ungemein neu,
ein fast vollkommenes Leben —
so frei, so nah,
so scheu.

Ein Tag der Innenlichter trug,
ein Tag warm wie sonst nie —

ein Nahetag,
ein Wünscheleben,
ein Ruhesein,
ein Wesenslos.

Ein Tag, sich neu zu begegnen,
ein Daseinstag vertrauensnah,
ein wieder treu sich zu erleben,
ein Du, ein Ich
und solch ein Tag.

Ist es gelungen, ihn zu halten?
Trieb ihn ein Versehen fort?
Gelingt ein Andertag gestalten?
Ein Erinnern nur,
ein scheues Wort.

So scheu wie jener Tag doch war,
so unanrührbar nah,
so vollkommen frei,
so Du und Ich,
so lebensneu.

(Copyright © 22. Mai 2013, Bernd Pol)

Dienstag, 21. Mai 2013

Zerfallende Tage. Jetzt …


Ich hab mich an das Leben übergeben —
an jene Seite, die die Existenzen hegt,
an jenen Ort, den Innerliches kleidet,
an jene Zeit, die Stillgestandenes bewegt.

Mir ist in Teilen eingebrochen,
was anderntags ein Dasein trägt.

Ein Wachtraum ist es,
einer von jenen,
die bewegen heißen,
und gar nichts geht.

Da greift dir Angst die ausgestreuten Stücke auf
und Panik hält dich aus der Welt gefangen.

Das Dasein treibt in Außenwelten weiter —
du ahnst, was ist, und dass es geht —
allein, der Grund dafür ist unbeschrieben
und jedes Ziel ins Nebelsein gelegt.

Gib mir den Leim,
mit Liebe will ich kitten,
ein jedes Stück zu jedem,
bis es neu lebt.

Als Ganzes eins,
ein reines Lächeln —
ein Traum vielleicht,
der ein Begehren trägt.

(Copyright © 21. Mai 2013, Bernd Pol)

Samstag, 11. Mai 2013

ein jahr noch aus den abendwinden


und wenn die abendwinde flieder tragen
und alte lichter leben treiben
und wenn dein duft mir nahe rückt
und deine nähe kostbar wird

dann kommt das jahr zu neuer reife
dann sind die sterne greifbar nah
dann gehe ich mir träume fangen

die reich ich dir in kostbarkeiten
ganz herzenswarm und frisch verpackt

nur lass sie mir
zu ihrer eigenzeit
nicht unerkannt erkalten
sie wollen ausgebreitet
so recht mit fleiß
genossen sein

bevor die sterne untergehen
bevor der abendwind versiegt
bevor die nächsten träume reifen
bevor der schauer überfliegt

es ist noch einmal
neu ein liebesjahr
für uns ein träumenutzen
ein kleiner wiederzauber
aus dieser langen
doppelzeit

ein jahr bestimmt
in dir zu treiben
ein jahr in dauer

ewigkeit

(Copyright © 10. Mai 2013, Bernd Pol)

Donnerstag, 9. Mai 2013

weltenderscheinung


wenn die sonne streifen schneidet
durch unsere wolken an jenem tag
an dem eine welt in stücke fällt
wo allerleben zusammenbricht
und du und ich all diese grenzen
weithin auf ewig fort überschreiten

die berge habe ich da schmelzen gesehen
und die meere alle auf wilder flucht
und der himmel hat alle farbe verloren
und dieses dasein verschwand
wie es in vorzeiten kam
ins lebendige nichts

es ist zu empfindlich
dieses erdenart leben
greift nicht genug aus
in ein bestimmendes all
zu verletzlich der mensch
in ewiger dauer erbautes nur
kurze wimpernschläge aus zeit

und doch

es zählt was gemeinsam geschaffen
jegliches leben bleibt hier aufbewahrt
irgendwo zwischen den wechselnden zeiten
trägt sich weiterhin fort
was ist und was bleibt

vielleicht tief in den nebeln verborgen
vielleicht in den schreien alltiefer nacht
vielleicht im ruhen der letzen bewegung
vielleicht im kreisen unbeachteter kessel
vielleicht eben dort wo sich neusein erdacht

es bleibt sich doch gleich
da ist ein leben geboren
auf enge zeit stets
auf ewig gedacht

und ich möcht mit der welt
dies fortleben erproben
dies hierlieben eben
im wandelnden sein
dieses du sein
wir bleiben
im all und
im schein

(Assoziationen während des Hörens von Bernd Alois Zimmermanns "Photoptosis" von 1968.)

(Copyright © 9. Mai 2013, Bernd Pol)

vielleicht wird es zeit


vielleicht wird es zeit
neue wege zu suchen
oder ein leben erneuert zu teilen
oder einfach nur fortgehn
auf eigene faust
dort hin wo immer noch
unausgeschlüpfte träume reifen

vielleicht wird es zeit
den rücken zu kehren
im hoffen dass da jemand mitkommt
im freude wiedererschaffen
auf eigene faust
alte innigkeiten beleben
neusichtige nähe haut an haut

vielleicht wird es zeit
inne zu halten
auszuschöpfen was immer noch ist
verwandeln in frischegestalt
auf eigene faust
gemeinsames leben bewegen
was im werden alten wegen vertraut

vielleicht wird es zeit
auf eigene faust
liebe zu leben
aufs neue
mit dir

(Copyright © 9. Mai 2013, Bernd Pol)

Montag, 6. Mai 2013

Ein Bilderbuchmorgen


Ein Morgen ist das heute wieder
gerade wie aus einem Bilderbuch —
der Nachbar hat die Rasenwüste blank gemäht
und frühe Tulpen trinken hier
vor dem Verblühen erste Sonnenstrahlen.

Die Drossel hat längst ausgesungen
und im Unkraut lauert eine späte Katze.
Ein Hund bellt fern und klingt schon heiser
und über allem liegt der Lärm
der allzu nahen Stadt.

Ich will dennoch an Bilderbücher glauben,
dieses Träumen trag ich in mir fort —
ich stell mich in den Kirschenblütenregen
und rette rasch noch eine späte Schnecke
ganz heimlich vom Zertrampelweg.

Die Katze hat das Lauern aufgegeben
und auch der Hund ist fern verstummt
und sanfter Wind treibt Blätterschatten
und über alledem schwebt eine Lerche,
die draußen in den Feldern singt.

Ich lieb die bunten Bilderträume,
lass still mich auf die Sonne ein,
leg mich neben ungemähte Kräuter —
ich will nur einfach Frühling sein.

Ein Bilderbuch ist dieser Morgen —
ein Träumetag soll draus erwachsen.
Vielleicht sind es auch Wunderzeiten
die zärtlich sanft vorüberstreichen.

Im Grunde ist mir all das gleich —
Sonne werd ich weiter trinken
und den frühen Lichtertulpen
schau ich beim Verblühen zu.

(Copyright © 6. Mai 2013, Bernd Pol)

Donnerstag, 2. Mai 2013

Immer wieder Augenblicksvertrauen


Mein Leben ist im Augenblick,
gerade so als wär ich Kind,
immer wieder ein blindes Vertrauen,
ein Hingeben ohne Vorbehalt.

Und ist auch immer wieder
der Augenblick danach
ein Schlag von Zusammenbeißern,
von Kettenrasslern, Realismusbuhlern —

mein Leben bleibt im Augenblick,
einfach nur realitätsgebunden
vertrauend hingegeben neu.

(Copyright © 2. Mai 2013, Bernd Pol)

frühjahrsmelancholie


wenn der frühling sehnsucht trägt
nach den früchten im herbst
wenn im fallen des blütenschnees
schon etwas wintertrauer schwingt

wenn du da gehst durch den tag
und im ersten geschnittenen gras
schwingt noch deutlich der duft
vom gerade eben vergangenen jahr

ist es nicht seltsam das
da schwingt das herz sich auf
und du trägst dich in melancholie
weil das jahr schon wieder sich dreht
und im frischen beginnen sich
sein ende in bildern bereits
unruhig durch dich bewegt

ist doch schon wieder zeit schnecken zu jagen
und das unkraut schießt aus frischem gebeet
und du bangst ob der wein den frost überstand
und ob nach diesem winter die bienen noch sind

ja melancholie
der rücken schmerzt
denkst du ans graben und schneiden
auch ist das bücken längst nicht mehr leicht

du wirst alt denkst du und willst
nur einen barmherzigen sommer erreichen
irgendwie sanft das und frühjahrsmüd
in einem sehnsuchtsvoll träumenden schlaf

(Copyright © 1. Mai 2013, Bernd Pol)